Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen – Maske und Rausch. Eine Buchempfehlung
Jede*r weiß, was es bedeutet, zu spielen, wie es sich anfühlt und wie schön es sein kann, sich in einem Spiel zu verlieren. Die Welt erscheint dann in einem ganz anderen Licht, angenehmer, leichter, leidenschaftlicher, sinnvoller… Es scheint eine völlig nutzlose Tätigkeit zu sein, da man beim Spielen nichts produziert, also durch das Spielen nichts zur Welt hinzukommt. Am Ende eines Spiel beginnt alles wieder von vorne und dann heißt es: „Nochmal, nochmal!”, oder „Halt, genug davon”, weil einem schwindelig geworden ist, der Reiz verloren gegangen ist, oder weil die Welt der Verpflichtungen ruft. Andererseits prägt das Spiel unsere Kultur, und manche Autor*Innen würden so weit gehen und sagen, dass der Spieltrieb, der in uns allen schlummert, in Wahrheit der Motor aller kulturellen Entwicklungen ist, also eine entscheidende Bedingungen für das Entstehen von Zivilisation. Die Fähigkeit zu spielen veredelt den Menschen, weil das Spiel zum Ausdruck seiner Freiheit wird – und es ist nicht uninteressant, wenn man dann feststellt, dass in gewisser Weise auch Tiere zum Spiel neigen.
Roger Caillois Buch „Die Spiele und die Menschen – Maske und Rausch” nimmt all diese – und noch viele weitere – Beobachtungen auf, diskutiert eine Bandbreite verschiedenster Spielformen (Wettkämpfe, Geschicklichkeitsspiele, Sortierspiele) und wirft dabei immer wieder mal einen Blick in die Tierwelt. Es ist ein schönes, abwechslungsreiches und stilistisch äußerst gelungenes Buch, dessen Lektüre großen Spaß bereitet, und in diesem Sinne sehr zu empfehlen ist. Man könnte fast sagen, dass Caillois in diesem Buch selbst den Gegenstand zur Methode macht und ‚spielerisch’ verfährt, und dies in doppelter Hinsicht: Zunächst setzt Caillois Abhandlung zum Spiel eher assoziativ ein, indem er verschiedenen Redewendungen, die mit dem Ausdruck des Spiels verbunden sind, nachgeht. Dann aber legt er selbst sozusagen ein eigenes Regelsystem vor, eine Nomenklatur, um das Phänomen genauer zu untersuchen. Spiele basieren ihm zufolge auf vier Grundprinzipien: agon, also dem Wettkampf; alea, dem Zufall; ilinx, dem Rausch; und mimikry, der Nachahmung bzw. der Maskierung – ich erspare mir hier eine ausführliche Erläuterung, da man das Buch am Besten selbst liest.
Es zeigt auf, inwiefern Spiele mittels dieser Nomenklatur analysiert werden können, und wer sich mit dieser beschäftigt, wird geneigt sein, sich zu fragen, ob auch neuere Spielformen, wie etwa die des Computerspiels, nicht weiterhin den von ihm analysierten Grundprinzipien entsprechen. Callois starb 1978 in Paris, er hat also den Aufstieg von Triple-A-Games und Casual Games nicht mehr mitbekommen, gleichwohl wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, diese neueren Formen des Spiels zu analysieren, oder täusche ich mich da vielleicht?
Wer sich jedenfalls für das Phänomen des Spiels interessiert, sollte unbedingt mal in dieses sehr anregende Buch hineinlesen, vielleicht wird man dann plötzlich Gewahr, wie viel auch noch in der seriösen Arbeitswelt gespielt wird – und das nicht zu knapp.